Computerspiele entwickeln sich in der Regel und werden schwieriger, indem neue Funktionen, Rätsel oder Vorgehensweisen eingeführt werden, wenn der Spieler im Spiel fortschreitet. Passionierte Spieler fangen ausserdem häufig neue, zum Teil sehr komplexe, Spiele an. Sie meistern die steigende Komplexität, oder das Erlernen eines neuen Spiels, ohne jemals ein Handbuch zu lesen oder eine Schulung zu absolvieren.
Auch Unternehmensmitarbeiter sehen sich mit einer wachsenden Anzahl und sich ständig ändernden Anwendungen konfrontiert. Klassische Schulungskonzepte wie Präsenzschulungen, E-Learning und Release Dokumentationen können mit der Geschwindigkeit, mit der sich Systeme und Prozesse verändern, nicht mehr mithalten.
Die Lösung liegt in den Lehren, die aus Computerspielen gezogen werden können. Spieldesigner versuchen, zwei Schlüsselprobleme zu lösen: Wie macht man die Spieler mit der Spielmechanik vertraut und wie kann man sie bei der Stange halten? Das ist in der Unternehmenswelt nicht anders, wo Benutzer in neue oder geänderte Systeme und Prozesse eingeführt werden müssen. Eine der Schlüsselfragen dabei ist, wie die Benutzer etwas lernen können, ohne dass es sich wie Lernen anfühlt.
Durch die Übertragung der Erkenntnisse aus der Spieleindustrie auf die Geschäftswelt, können Unternehmen neue Systeme oder Prozesse besser einführen und die Mitarbeiter schneller und effektiver einarbeiten. Dadurch wird die Erfahrung der Mitarbeiter verbessert und ihr Engagement erhöht, die Schulung wird effizienter und führt zu besseren Geschäftsergebnissen, z. B. einer schnelleren Rentabilität der IT-Investitionen oder besserer Arbeitsergebnisse, d.h. weniger Fehler.
Aus Spielen kann man wertvolle Lehren ziehen, wie sich die drei häufigsten Fallstricke bei der Entwicklung von Spielen, aber auch von Prozessen oder Systemen umgehen lassen.
Das Paradoxon des aktiven Anwenders
Das Paradoxon der aktiven Nutzer wurde erstmals von Mary Beth Rosson und John Carroll, Forscher bei IBM, in den 1980er Jahren vorgestellt. Bei der Beobachtung neuer Benutzer von Desktop-Publishing-Software, entdeckten sie ein unerwartetes Verhalten. Die Neulinge konsultierten nur selten die ihnen zur Verfügung gestellten Benutzerhandbücher, stattdessen stürzten sich diese “aktiven Benutzer” direkt in die Software, um sie zu verstehen, selbst wenn sie dabei auf vermeidbare Fehler stießen oder in Sackgassen stecken blieben. Die Benutzer wollten, so schnell wie möglich, loslegen und produktiv sein (“Produktionstendenz”), zum Teil unter Anwendung dessen, was sie bereits wussten (Assimilationstendenz), und keine Zeit mit dem Lesen von Handbüchern verschwenden.
Spiele lösen das Paradoxon des aktiven Benutzers, indem sie den Benutzer Dinge ausprobieren lassen und ihn bei der Interaktion mit dem Spiel anleiten. So lernen die Spieler das, was sie lernen müssen, durch Übung.
Im Unternehmenskontext kann man das Paradoxon des aktiven Benutzers lösen, indem man Benutzern nur die Informationen gibt, die sie benötigen, wann sie diese benötigen. Das heisst, indem man den Benutzer bei der Interaktion mit Prozessen oder Systemen anleitet anstatt sich auf Handbücher, E-Learnings oder Einführungsschulungen zu verlassen. Eine nützliche Ergänzung hierzu ist die Hervorhebung von Standardeinstellungen für die Benutzer, wodurch die Auswahl einfacher und natürlicher wird.
Dualaufgaben Interferenz
Dual-Task-Interferenz ist ein Phänomen, bei dem Warnungen, Ankündigungen und andere Nachrichten ignoriert werden, die im Bild auftauchen oder die aktuelle Aufgabe einer Person behindern. Der “duale” Teil von Dual-Aufgaben-Interferenz bezieht sich auf die Idee, dass jemand zwei Dinge gleichzeitig erledigen muss.
Eine BYU-Studie aus dem Jahr 2016 ergab, dass 74 % der Befragten Sicherheitsmeldungen ignorierten, die auftauchten, während sie gerade dabei waren ein Webseitenfenster zu schließen. Diese Zahl stieg sogar noch weiter, auf 87 %, wenn die Nutzer Eingaben machten, z. B. bei der Eingabe eines Codes.
Die Forscher fanden heraus, dass die Anzeige von Sicherheitsmeldungen während natürlicher Pausen, z. B., während der Nutzer auf das Laden eines Videos wartete, die Zahl der beachteten Mitteilungen, um bis zu 50 % erhöhte.
Computerspiele vermeiden die Dualaufgabeninterferenz, indem sie nach Abschluss einer Aktion des Spielers eine pädagogische Nachricht einblenden. Dies kann im Unternehmen zum Beispiel funktionieren, wenn nach Abschluss einer Aufgabe, eine Meldung eingeblendet wird, die dem Nutzer aufzeigt, wie diese Aufgabe einfacher erledigt werden könnte. So wird der Prozess nicht unterbrochen und doch kann die Meldung zu zukünftiger Produktivitätssteigerung beitragen.
Überladung
Überladung bedeutet, dass alle Anweisungen und Schritte zum Erlernen eines neuen Konzepts zu Beginn einer Lernerfahrung präsentiert werden. Im Geschäftsleben erlebt man das oft in Schulungen oder Trainingskursen wo, teilweise über Wochen, eine Menge an Inhalten vermittelt werden. Diese Technik kann hilfreich sein, wenn zum Beispiel Grundlagen vermittelt werden müssen, aber sie ist wenig hilfreich, um neue Systeme oder Prozesse zu erlernen.
Spiele vermeiden diese Überlanden, indem sie kritische Aktivitäten in kleinere Teile aufbrechen und neue Funktionen durch Unterteilung einführen. Diese Technik kann auch in System- oder Prozessschulungen angewendet werden, indem jeder Schritt einzeln angeleitet wird, anstatt einen Prozess vollständig zu erklären oder zu trainieren, bevor ein Mitarbeiter ihn zum ersten Mal durchläuft. Denken Sie zum Beispiel an einen Mitarbeiter, der darin geschult wird, wie der Antrag auf eine Hausratversicherung zu bearbeiten ist. Der Mitarbeiter könnte vor der Durchführung des gesamten Prozesses von Anfang bis Ende geschult werden, z. B. neue Kunden registrieren (CRM), Preisparameter eingeben (Größe, Inhalt usw.), spezielle Gefahrengrade anpassen usw. und nach der Schulung aufgefordert werden, dies selbst zu tun. Wenn sie nicht bereits vergessen haben, wie man Schritt eins macht, werden sie sicher bei Schritt zwei oder drei ins Schleuder geraten. Spätestens dann müssen sich auf ihre Notizen verlassen, welche natürlich von Nutzer zu Nutzer unterschiedlich angefertigt wurden. Stattdessen könnten Nutzer Schritt für Schritt angeleitet werden, d.h. sie erhalten Anweisungen wie man einen neuen Kunden registriert und tun es, dann erhalten sie Anweisungen wie man die Preisparameter eingibt und tun es, und so weiter.
Drei Fallstricke und Lehren aus der Spieleentwicklung
- Das Paradoxon des aktiven Benutzers – Vermeiden durch Anleitung und Hervorhebung der Standardeinstellungen
- Dualaufgabeninterferenz – Vermeidung durch Bereitstellung von Informationen zum richtigen Zeitpunkt und nicht mitten in einer Aktivität, z. B. durch einen Hinweis nach Abschluss einer Aktivität, wie diese beim nächsten Mal effizienter durchgeführt werden könnte
- Überladung – Vermeiden durch Aufteilung oder Herunterbrechen neuer Funktionen
Nutzen der Lektionen aus der Spielentwicklung im Unternehmen
Organisationen können davon profitieren, wenn sie einige der Lektionen, die das Spieldesign zu bieten hat, auf den Unternehmenskontext anwenden. Die Benutzer sind engagierter und lernen schneller, wenn sie durch die Anwendungen geführt werden, anstatt eine Schulung zu absolvieren, bevor sie die Anwendung nutzen dürfen. Systeme oder neue Prozesse können effektiver eingeführt werden, was Unternehmen hilft ihre IT-Investitionen zu sichern. Mitarbeiter auf diese Weise weiterzubilden, spart Kosten, da der Bedarf an umfangreichen Schulungen, Dokumentationen und Release Dokumentationen sinkt.
Photo by Branden Skeli on Unsplash
Leave a Reply
Want to join the discussion?Feel free to contribute!