Gamification war lange der «Liebling» der Consulting Szene. In diversen Projekten wurde probiert Spieltheorien und Geschäftsapplikation zu verschmelzen. Die grundlegende Überzeugung bestand darin, dass wenn man nur die richtigen Spiel-Elemente in eine Geschäftsapplikation implementiert, dann entsteht Spielfreude während man konkrete Ziele erreicht. So sollten auch repetitive Arbeiten Spass machen können. Wir dachten das man jede Anwendung in ein Spiel transformieren kann, wenn man nur Badges, Punkte und Ranglisten hinzufügt. Es war die Hochzeit von Programmen wie «Foursquare». Alles wurde in ein Spiel verwandelt.
Aber es stellt sich heraus; das ist gar nicht so einfach. Die meisten dieser gamifizierten Geschäftsapplikationen produzierten, freundlich gesagt, keine Resultate. Bei einigen Projekten bewirkte man sogar das Gegenteil.
Die grossen Firmen der Branche begannen schon bald darauf die Gamification Elemente wieder aus ihren Applikationen zu entfernen. Foursquare, eines der Vorzeigekinder der Branche, packte alle Gamification Elemente in eine eigene Applikation namens «Swarm». Diese war aber nie so relevant und beliebt wie die ursprüngliche Foursquare App. Ein weiterer Hersteller der immer wieder als Vorbild herhalten musste war «Stack Overflow». Ein System aus Punkten, Ratings und Badges. Dieses System sollte die Benutzer animieren aktiv an der Foren-artigen Applikation zu partizipieren. Was die Benutzer auch sehr fleissig taten. Im Jahr 2021 wurde Stack Overflow für 1.8 Milliarden US$ verkauft. Doch auch in diesem Fall; vor dem Verkauf erklärte Stack Overflow das ihr Erfolg nichts mit Punkten und Badges zu tun hat.
Heute würde wohl jede «Gamification Firma» und jeder «Gamification Berater» zugeben das Gamification nicht das Allheilmittel war, das man vor rund zehn Jahren erwartet hatte.
Foursquare Swarm – Source: wirefly.com
Was ging schief
Retrospektiv kann man vier Faktoren erkennen (Sergio Nouvel).
Der Begriff des “Spiels” an sich. Die Bezeichnung «Gamification» an sich vermittelt die Vorstellung, dass sich alles wie ein Spiel verhalten sollte. Produktverantwortliche und Berater haben «Gamification» wörtlich genommen. Sie haben Prozesse und Verhalten gamifiziert und dabei lauter alberne Spiele geschaffen.
Die falsche Verwendung von Punkten, Abzeichen und Bestenlisten. Produktdesigner haben begonnen virtuelle Punkte, oder Währungen, an alles Mögliche zu knüpfen. Immer unter der Prämisse, dass die Menschen, wenn man ihnen etwas zum Sammeln anbietet, versuchen werden, es auf jeden Fall zu sammeln.
Verdrängung von Belohnungen. Es ist erwiesen, dass das Anbieten von Belohnungen jeglicher Art für Verhaltensweisen, die spontan erfolgen sollten, die Menschen in den “Transaktionsmodus” versetzt, wodurch das ursprüngliche Motivationssystem verändert wird und sie weniger motiviert sind als zuvor. Dies gilt auch für virtuelle Währungen und Belohnungen.
Herablassender Ton. Um die Motivation der Benutzer aufrechtzuerhalten, wurde oft eine Tonalität gewählt die beglückwünschend und fröhlich wirken sollte. Dieser Ton wirkte aber nach erstem Gebrauch statt «benutzerfreundlich» herablassend und «kleinkindlich». Ein System, das davon ausgeht, dass man ständig an der Hand geführt werden muss, gibt einem das Gefühl, irgendwie behindert zu sein (zum Beispiel Microsoft Office’s Clippy). Niemand mag es, wie ein Kind behandelt zu werden.
Trotzdem; Gamification hat als Designansatz sehr wertvolle Erkenntnisse und Methoden in das Produkt- und Systemdesign eingebracht, die, wenn sie genutzt werden, einen Unterschied in der Nutzererfahrung machen können.
Gamification richtig eingesetzt
Der Designansatz «Gamification» ist natürlich nicht vergessen. Er wird selbstverständlich auch heute noch eingesetzt. Schauen wir uns ein zwei Beispiele an bei denen man Spielmechanismen (im Kontext von «Verhaltensänderungs-Design») beobachten kann, die ziemlich gute Ergebnisse erzielen.
Duolingo: Motivation aufrecht erhalten für etwas, wofür man schon motiviert, ist.
Duolingo schaffte es den Benutzer auf eine unterhaltsame Art und Weise zu motivieren, für etwas, was die Benutzer schon immer lernen wollten: Sprachen. Wir sind uns durch die Grundschule gewohnt, auf langweilige Weise durch Kurse, Bücher und Tests zu lernen.
Duolingo ist besser, weil es ein schwieriges Thema (das Erlernen einer neuen Sprache) mit einem leichten Ansatz angeht und dem Benutzer/Schüler ein Gefühl des Fortschritts vermittelt. Indem man einzelne Stufen durchläuft, erhält man einen objektiven Maßstab für seinen Fortschritt. Das Bestehen dieser Stufen hat genau den richtigen Schwierigkeitsgrad. Man macht meist ein paar Fehler, was wiederum das Gefühl der Unvorhersehbarkeit verstärkt. Dabei ist genau das der Schlüssel dazu den Benutzer/Schüler motiviert zu halten.
Aber all das würde natürlich nicht funktionieren, wenn man nicht von vornherein die Sprachen lernen wollte.
Duolingo
Trello: Motivation durch Visualisierung von Fortschritt und Leistung
Bei den meisten Task Manager Applikation fühlt man sich überfordert. Sie erinnern einem ständig an die Dinge, die man noch nicht erledigt hat. Je mehr Aufgaben man anhäuft, desto unwahrscheinlicher ist es, dass man sie erledigt.
Trello ist eine bemerkenswerte Ausnahme. Per se ist Trello ein typisches To-Do-Listensystem. Wie die Kanban-Methode, von der es inspiriert ist, geht Trello davon aus, dass Aufgaben verschiedene Zustände haben können und dass der binäre “Nicht erledigt”-Ansatz für die meisten Zwecke nicht sinnvoll ist. Selbst definierbare Zwischenzustände ermöglichen es einem, die begonnenen, die wartenden und die erledigten Aufgaben zu unterscheiden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, denn zwischen dem Starten und dem Beenden einer Aufgabe können viele Phasen liegen. Eine binäre Aufgabenliste bildet das nicht ab. Dadurch sind die meisten Aufgaben in einer solchen App immer unerledigt, obwohl man an den Aufgaben arbeitet.
Die Aufgaben werden wie Karten von einem Stapel auf einen andere gezogen. Das Ziehen und Ablegen gibt einem das Gefühl, dass man eine Aufgabe tatsächlich vorantreibt.
Was aber am wichtigsten ist, man hat einen Kartenstapel. so sieht man immer, was bereits erreicht wurde. Das motiviert einem mehr zu erreichen. Es braucht kein Abzeichen als Belohnung. Es reicht, wenn man sieht das es mit der Aufgabe vorwärts geht. Trello ist ein erfolgreiches Beispiel, weil es anerkennt, dass die Dinge, die man getan hat, genauso wichtig sind wie die, die man noch nicht getan hat.
Was können wir aus der Vergangenheit lernen
Aus diesen Beispielen lassen sich einige nützliche Erkenntnisse für die Gestaltung von Benutzererfahrungen ableiten. Der Fokus liegt dabei besonders auf das Ausgestalten von Inhalten von Performance Management Systemen, wie etwa GRAVITY.
1: Geben Sie den Benutzern das Gefühl, schlauer zu sein. Verbessern Sie die Aufgaben, die der Benutzer bereits zu erledigen hat, indem Sie Hindernisse und Barrieren beseitigen. Führen Sie die Benutzer beim ersten Mal an die Hand, und lassen Sie sie es dann selbst tun. Vermeiden Sie einen herablassenden Ton und beschränken Sie Glückwünsche auf ein Minimum.
2: Ermöglichen Sie die Entdeckung fortgeschrittener Funktionen. Wenn Sie fortgeschrittene Funktionen verstecken, machen Sie es Anfängern einfacher und geben Power-Usern ein Gefühl von Leistung und Exklusivität.
3: Entwerfen Sie für den “Flow”. Vermeiden Sie Unterbrechungen. Erlauben Sie den Nutzern, vollständig in eine Aufgabe einzutauchen. Bieten Sie diskrete Callouts und Meldungen.
4: Lassen Sie die Benutzer ihre Standards für den Fortschritt definieren. Menschen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von “besser”. Zwingen Sie ihnen nicht Ihre Regeln auf. Geben Sie den Benutzern vielmehr die Möglichkeit, ihre eigenen Meilensteine zu setzen, und fungieren Sie eher als Messinstrument denn als Coach.
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